Alaska‑Show ohne Waffenruhe

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Der Rote Teppich war in Anchorage ausgerollt, der Handschlag überdeutlich inszeniert, die Kameras suchten verzweifelt nach einem Stichwort, mit dem dieser Abend als diplomatischer Triumph für den Frieden verkauft werden könnte. Und doch: Das Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin endete ohne jede greifbare Vereinbarung zum Ukrainekrieg.

Trump selbst setzt heute zur Volte an: Weg mit halbgaren Waffenruhen, her mit einem »Friedensabkommen« – so schnell wie möglich, möglichst ohne Umweg über einen Waffenstillstand, den Kyiv und seine Verbündeten bislang als unabdingbar betrachtet hatten. Ein rhetorischer Schachzug, seinem Image als Deal‑Macher gerecht zu werden – und Putin zugleich ein Narrativ zu liefern, in dem er offenkundig als Gleichgestellter gefeiert wird. In Moskau jubelt man: »Ein Sieg« sei die Zeremonie gewesen – Symbolkraft über schlichte Substanz.

In Europa, im konzeptionellen Gegenraum zur Inszenierung, hallt hingegen ein anderes Votum: Berlin, Paris, London – Merz, Macron, Starmer – legen nachdrücklich Wert darauf, dass jede Entscheidung »only with Ukraine at the table« gefallen müsse. Das suggeriert, dass sie im Dreierformat Trump–Putin–Zelenskiy als einzig legitime Verhandlungsstruktur gesehen wird. Zugleich peitschen sie weiter die Sanktionen gegen Russland hoch – so lange bis es Greifbares gibt.

An den Finanzmärkten sorgt das Ganze nur für ein Achselzucken: Keine neuen Sanktionen, kein Waffenstillstand, aber auch kein Eskalationssignal – ergo: Status quo bleibt Status quo. Analysten sehen in dem Gipfel eher eine symbolische Geste denn einen Substanzgewinn. Die Märkte atmen auf – und drehen sich wieder den eigenen Sorgen zu: Inflation, Konsum, Wachstum.

In Washington klingelt bereits das Telefon: Zelenskyj will am Montag in Washington mit Trump sprechen. Gespräche im Dreierformat sind im Gespräch – geordnet, koordiniert, mit der Ukraine als essenziellem Part.

Warum aber rühren Trump und Putin das Kriegsbeil nicht an? Der jüngste Gipfel markierte mehr Show als Substanz – aber darin liegt seine politische Höhe. Es war der erste US‑Empfang eines russischen Präsidenten seit über einem Jahrzehnt – und der erste auf US‑Militärgelände. Für Putin ein Zeichen: Ich bin noch da – und ich werde gesehen. Für Trump ein Versuch, sich ins Licht diplomatischer Relevanz zu rücken. Doch ohne denkbare Fortschritte – ohne Waffenruhe, ohne Gesprächsergebnisse – bleibt all das reines Polit‑Theater.

Putin selbst suggeriert in seinen Worten diplomatische Initiative: Der Gipfel könne »Startpunkt sein, um den Konflikt zu lösen und die US‑russischen Beziehungen zu normalisieren«. Doch das bleibt leeres Gerede, solange auf dem Schlachtfeld weiter geschossen wird – in der Ukraine, die nicht eingeladen war, aber mitten im Fokus bleibt.

Ein Treffen, drei Stunden, null Ergebnisse – und dennoch maximale Wirkung. Für Putin ein medialer Triumph ohne inhaltliche Zähne, für Trump ein seltenes diplomatisches Podium, dessen Substanz aber versandet. Europa versucht, den Kurs zu halten: Die Ukraine bleibt im Zentrum, Sanktionen bleiben stark, und nur mit der Ukraine kann Frieden verhandelt werden.

Es ist ein Abend, der alles sichtbar macht – und nichts greifbar. Die Bühne Alaska zeigt: Symbolpolitiker lieben Inszenierung. Doch echte Diplomatie, die der Realität gerecht wird, braucht Substanz, Konsequenz und vor allem – die Ukraine.

About the author

Holger Elias

Studien der Journalistik und Kommunikations-Psychologie. War beruflich als Korrespondent und Redakteur bei Nachrichtenagenturen (reuters, cna usw.), für überregionale Tageszeitungen sowie für Rundfunk und Fernsehen tätig. Lebte und arbeitete knapp acht Jahre als EU-Korrespondent in Brüssel. Als Verleger und Publizist gab er knapp 140 Buchtitel heraus.

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