Der Aufmarsch der Amtsschimmel

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In den tiefen Gräben der deutschen Bürokratie brodelt es. Ein stilles Heer rüstet sich – nicht mit Waffen, sondern mit Formularen, Stempeln und einem unerschütterlichen Glauben an die Macht des Papierkriegs. Ja, liebe Leserinnen und Leser, die Beamtenarmee steht bereit, nicht um das Land zu verteidigen, sondern um es zu verwalten. Und wie sie das tut!


Man könnte meinen, die ständige Aufrüstung der Bürokratiemaschinerie sei ein Relikt aus Zeiten, als der Amtsschimmel noch mit Tinte und Feder gezähmt wurde. Doch nein, wir schreiben das Jahr 2024, und der Trend geht weiter, steil bergauf, in eine Zukunft, in der jeder Bürger seinen eigenen persönlichen Sachbearbeiter bekommt, vorausgesetzt natürlich, er füllt das Formular B34-XY78 korrekt aus, in dreifacher Ausfertigung, versteht sich.


Die Notwendigkeit dieser Aufrüstung wird oft betont, schließlich leben wir in einer Zeit, in der Komplexität als eine Art Statussymbol angesehen wird. Je unverständlicher ein Vorgang, desto wichtiger muss er sein. So wird der Bau einer einfachen Kinderrutsche zum interdisziplinären Projekt, das mehr Fachabteilungen involviert als die Mondlandung. Man fragt sich unweigerlich: Sind wir im Bürokratiehimmel oder in der Verwaltungshölle angelangt?


Doch jede Armee braucht ihre Generäle, und so sitzen in den obersten Etagen der Ministerien die Bürokraten in spe, die über die strategische Verteilung von Aktenordnern und die Optimierung von Dienstwegen wachen. Ihre Waffe? Der Rundstempel. Ihre Munition? Paragrafen. Ihr Schlachtfeld? Der unendliche Dschungel der Verordnungen, in dem sich nur die wagemutigsten Gesetzesinterpreten zurechtfinden.


Wie effektiv diese Armee wirklich ist, bleibt eine Frage der Perspektive. Für Außenstehende mag es scheinen, als würde mehr Energie in die Dokumentation von Tätigkeiten als in die Tätigkeiten selbst gesteckt. Doch gerade in dieser scheinbaren Ineffizienz liegt die wahre Stärke der Beamtenarmee: Kein Feind, sei er auch noch so geduldig, kann die Festung aus Papier und Tinte erobern, die sich um das Herz der deutschen Verwaltung gelegt hat.

Aber was wäre, wenn wir den Spieß umdrehen würden? Eine Welt ohne Stempel, ohne Formulare, ohne Sitzungen, in denen über die Farbe des Papieres für interne Memos debattiert wird? Chaos, so warnen die Bürokraten. Anarchie, so fürchten die Formularliebhaber. Oder vielleicht, nur vielleicht, eine neue Ära der Effizienz, in der Entscheidungen schneller getroffen werden, als ein Formular durch den Drucker laufen kann?

Lassen Sie uns also den Marsch der Beamtenarmee mit einem Augenzwinkern betrachten und dabei nicht vergessen, dass jeder Krieger in diesem Heer auch nur ein Mensch ist, gefangen in einem Labyrinth aus Paragrafen, das er selbst nicht mehr überblickt. Vielleicht brauchen wir weniger Aufrüstung in der Bürokratie und mehr Pioniere, die neue Wege durch den Papierdschungel bahnen.

About the author

Holger Elias

Studien der Journalistik und Kommunikations-Psychologie. War beruflich als Korrespondent und Redakteur bei Nachrichtenagenturen (reuters, cna usw.), für überregionale Tageszeitungen sowie für Rundfunk und Fernsehen tätig. Lebte und arbeitete knapp acht Jahre als EU-Korrespondent in Brüssel. Als Verleger und Publizist gab er knapp 140 Buchtitel heraus.

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