Die Bilder, die Reuters zugespielt wurden, wirken wie eine Parodie auf das Hightech-Gerede des Pentagon: Vor der Küste Kaliforniens rammt ein unbemanntes US-Drohnenboot ein anderes, hebt kurz über dessen Deck ab – und platscht dann kläglich zurück ins Meer. Autonome Kriegsführung in Reinform: selbstverschuldetes Chaos, gefilmt aus nächster Nähe.
Der Vorfall, bislang nicht öffentlich, ereignete sich im Juli bei einem Marine-Test, der eigentlich die Zukunft der Seekriegsführung demonstrieren sollte. Stattdessen offenbarte er die Schwächen einer Technologie, auf die Washington große Hoffnungen setzt. Zwei Rivalen der US-Rüstungsindustrie – Saronic und BlackSea Technologies – standen im Zentrum des Crashs. Noch Wochen zuvor hatte ein anderes BlackSea-Boot bei einem Manöver einen Schleppkahn zum Kentern gebracht; der Kapitän landete im Wasser, überlebte glücklicherweise unverletzt. Dieser Zwischenfall wurde zunächst von Defense Scoop publik gemacht (1.7.2025).
Reuters, das Dutzende Beteiligte befragte, beschreibt eine Mischung aus Softwarefehlern, Kommunikationspannen zwischen Steuerungssystemen und schlichter Überforderung. Weder die Navy noch die Hersteller gaben Stellungnahmen ab.
Von der Ukraine nach Taiwan
Die Euphorie für maritime Drohnen speist sich aus dem Krieg in der Ukraine. Dort haben billige, ferngesteuerte Speedboote – Kostenpunkt rund 250.000 Dollar – der russischen Schwarzmeerflotte erheblich zugesetzt. Kamikaze-Einsätze, Sprengladungen an Bord, punktgenaue Navigation via Satellit. Die USA wollen nun mehr: völlig autonome Schwärme, die ohne menschliches Kommando operieren. Preis: mehrere Millionen pro Boot.
Militärs in Washington verweisen unablässig auf die »Lehren von Odessa« und auf das Szenario Taiwan. Sollte China den Inselstaat angreifen, sollen hunderte unbemannte Boote die Invasionsflotte stören. Präsident Donald Trump, seit seiner Rückkehr ins Amt, hat das Projekt zur Chefsache erklärt. Sein »Big Beautiful Bill« sieht fast fünf Milliarden Dollar für maritime Autonomiesysteme vor.
Milliarden für Firmen, Stillstand auf See
Das Pentagon hat eigens das »Replicator«-Programm aufgelegt, ein Milliardentopf für Drohnen aller Art. Die Navy selbst pumpte bereits 160 Millionen Dollar in BlackSea. Saronic, von Risikokapitalgebern wie Andreessen Horowitz auf vier Milliarden bewertet, wartet noch auf den ganz großen Zuschlag, kassierte aber schon Prototyp-Verträge im Wert von 20 Millionen.
Doch die Realität hinkt der Rhetorik hinterher. Nach den jüngsten Pannen stoppte das Verteidigungsinnovationsbüro DIU einen 20-Millionen-Dollar-Vertrag mit L3Harris – jenem Softwarelieferanten, dessen Programme die Drohnen eigentlich sicher steuern sollten. »Wir stehen hinter der Sicherheit und Integrität unseres Produkts«, betonte Konzernmanager Toby Magsig. Reuters zufolge wollte das Pentagon keine Details zum Stopp preisgeben.
Führungskrise in der Navy
Als wäre technisches Versagen nicht genug, steckt auch die zuständige Beschaffungsbehörde der Marine, das »Program Executive Office Unmanned and Small Combatants« (PEO USC), in der Krise. Im Juni wurde deren Chef, Konteradmiral Kevin Smith, nach einer internen Beschwerde entlassen. Laut Reuters prüft das Pentagon inzwischen, ob die gesamte Einheit umgebaut oder geschlossen wird.
Bei einem Treffen im Juli stellte Vizeverteidigungsminister Steven Feinberg die Admiralität offen infrage: Sind die Drohnenboote wirklich kosteneffektiv? Sind sie einsatzfähig? Die Marine verweist auf »laufende Missionen« und hüllt sich ansonsten in Schweigen.
Alte Strukturen, neue Kriegsfantasien
Experten sehen die Navy zwischen zwei Welten gefangen. »Sie ist daran gewöhnt, große Dinge über Jahre hinweg zu bauen«, sagt T.X. Hammes vom Atlantic Council. »Jetzt soll sie plötzlich schnell agieren.« Doch statt High-Speed dominiert bislang High-Risk.
Dass sich die US-Marine – wie viele westliche Armeen – in der Logik des »autonomen Krieges« eingerichtet hat, steht außer Frage. Drohnen gelten als billig, austauschbar, unendlich multiplizierbar. Doch wenn ein Boot das andere rammt, zeigt sich die Grenze dieser Euphorie. Die Versprechen von Effizienz und Präzision lösen sich in Salzwasser auf.
Die Player hinter den Drohnenbooten
BlackSea Technologies
US-Startup mit Spezialisierung auf maritime Drohnen. Produziert das »Global Autonomous Reconnaissance Craft« in Serie. Erhielt mindestens 160 Millionen Dollar aus Navy-Aufträgen. Präsentiert sich als künftiger Marktführer für unbemannte Flotten.
Saronic
Rüstungs-Newcomer mit Tech-Siegel: Risikokapitalfonds Andreessen Horowitz und 8VC bewerteten das Unternehmen mit vier Milliarden Dollar. Hauptprodukt ist das Drohnenboot »Corsair«. Bisher kleinere Pentagon-Verträge über Prototypen, aber mit massiver Lobbypräsenz.
L3Harris
Etablierter US-Rüstungskonzern und Softwarelieferant. Stellte Autonomie-Programme für die Navy-Tests bereit. Vertrag im Wert von 20 Millionen Dollar wurde nach den jüngsten Unfällen eingefroren. L3Harris betont, die eigene Software sei »sicher und zuverlässig«.
Die Geldgeber: Andreessen Horowitz und 8VC
Hinter Saronic stehen zwei Schwergewichte des Silicon-Valley-Kapitals. Andreessen Horowitz, bekannt für seine Investments in Facebook, Airbnb oder Krypto, sucht seit Jahren gezielt den Einstieg in den Rüstungssektor. 8VC, gegründet vom Tech-Investor Joe Lonsdale, propagiert offen die »Renaissance des Militärischen« als neues Geschäftsmodell. Beide Fonds sind Treiber der Verschmelzung von Startup-Logik und Militärindustrie: Schnelles Wachstum, staatliche Milliarden als sichere Einnahmequelle – und Kriege als Absatzmärkte der Zukunft.
Quellen:
Reuters, »During a U.S. naval test off the California coast last month…«, 20.08.2025, New York.
Defense Scoop, »Navy unmanned vessel accident off Ventura/Channel Islands, California«, 01.07.2025.