BRASÍLIA/WASHINGTON, 19. Juli 2025 – Die politische Eskalation zwischen Brasilien und den Vereinigten Staaten erreicht einen neuen Höhepunkt. Der brasilianische Oberste Gerichtshof hat am Freitag Durchsuchungsanordnungen und Einschränkungen gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro verhängt, weil dieser versucht haben soll, den US-Präsidenten Donald Trump zur Einmischung in seine laufenden Gerichtsverfahren zu bewegen. Das berichtete die Nachruichtenagentur Reuters. Washington reagierte umgehend – allerdings nicht gegen Bolsonaro, sondern gegen den Richter: US-Außenminister Marco Rubio kündigte Visabeschränkungen gegen den leitenden Verfassungsrichter Alexandre de Moraes sowie nicht näher genannte Angehörige der brasilianischen Justiz an.
»Dies ist eine politische Hexenjagd«, sagte Rubio laut Reuters zur Begründung. »Wir haben daher sofortige Visasperren für Richter Moraes, seine Verbündeten und deren unmittelbare Familienmitglieder verhängt.«
Der Konflikt entzündete sich an der richterlichen Entscheidung, Bolsonaro unter dem Verdacht eines Fluchtversuchs mit einer Fußfessel zu versehen und ihm jeglichen Kontakt zu ausländischen Behörden, Botschaften und sozialen Medien zu untersagen. Der frühere Präsident, der wegen eines mutmaßlichen Putschversuchs im Januar 2023 vor dem Obersten Gerichtshof steht, reagierte empört: »Ich fühle mich zutiefst gedemütigt«, sagte der 70-Jährige in einem Interview mit Reuters. »Ich war vier Jahre Präsident dieser Republik.«
Moraes begründete die Maßnahmen mit einem »konkreten Risiko«, dass Bolsonaro das Land verlassen wolle, um sich einer Verurteilung zu entziehen. Zudem gebe es Hinweise, dass Bolsonaro den »Staatschef einer ausländischen Nation« – gemeint ist Donald Trump – zur Beeinflussung brasilianischer Gerichtsprozesse zu bewegen versuchte. Dies stelle einen Angriff auf die nationale Souveränität dar, so Moraes in seiner Urteilsbegründung.
Trumps Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. In einem auf der Plattform Truth Social veröffentlichten Schreiben erklärte er: »Ich habe gesehen, wie ungerecht du behandelt wirst. Dieses Verfahren muss sofort beendet werden!« Der US-Präsident hatte bereits vergangene Woche Strafzölle in Höhe von 50 Prozent auf brasilianische Waren ab 1. August angekündigt – ein Schritt, den Moraes in seinem Urteil als gezielten Versuch wertet, eine wirtschaftliche Krise auszulösen, um so Druck auf die brasilianische Justiz auszuüben.
Bolsonaro selbst streitet ab, das Land verlassen zu wollen, stellte jedoch klar, dass er Trump jederzeit treffen würde – sofern er seinen von der Polizei einbehaltenen Reisepass zurückerhalte. In Bezug auf seine diplomatischen Kontakte sagte er: »Ich habe versucht, mit dem US-Botschafter über die Zölle zu sprechen.« Gleichzeitig bezeichnete er Moraes als »Diktator« und sprach von »feiger Einschüchterung«. Auf dem Tisch in seinem Parteibüro lagen bei dem Interview zwei symbolische Gegenstände: ein Exemplar der brasilianischen Verfassung – und eine Zeitschrift mit Trump auf dem Titel.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs wurde am Freitagabend von einem fünfköpfigen Richterpanel bestätigt.
Besonders brisant: Bolsonaro ist es fortan untersagt, mit engen Vertrauten – darunter auch sein Sohn Eduardo Bolsonaro, Abgeordneter und prominenter Strippenzieher in Washington – zu kommunizieren. Jair Bolsonaro sagte gegenüber Reuters, er telefoniere dennoch nahezu täglich mit Eduardo und habe »keine koordinierte US-Lobbyarbeit« in Gang gesetzt. Er gehe aber davon aus, dass sein Sohn US-Staatsbürger werde, um einer Rückkehr nach Brasilien zu entgehen.
Auch geopolitisch mischt Bolsonaro weiter mit: In dem Interview erklärte er, nur er könne Chinas Einfluss in Brasilien stoppen – »mit Rückendeckung einer kriegerischen, nuklear bewaffneten Nation im Norden«, wie er kryptisch andeutete. Zudem geißelte er den BRICS-Verbund als »Bruderschaft von Diktaturen und Kriegsverbrechern«.
Brasiliens amtierender Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte beim jüngsten BRICS-Gipfel in Rio de Janeiro Trump mit einem »unerwünschten Kaiser« verglichen – ein Affront, der in Washington mit der Ankündigung neuer Strafzölle quittiert wurde. Die Unterstützung Trumps für Bolsonaro droht damit in Brasilien zum politischen Bumerang zu werden: Statt dem rechten Lager Aufwind zu geben, scheint sie die linke Regierung unter Lula zu stabilisieren.
Eine Stellungnahme des Obersten Gerichts zur Kritik aus Washington blieb zunächst aus. Auch das Weiße Haus hielt sich zurück. Sprecherin Anna Kelly verwies lediglich auf frühere Aussagen Trumps: »Bolsonaro und seine Anhänger werden durch ein politisch instrumentalisiertes Justizsystem verfolgt.«
Quellen:
Magalhaes, L. N., & Brito, R. (2025, July 18). Brazil’s top court orders raids on Bolsonaro; Washington revokes judge’s visa. Reuters.
Magalhaes, L. N. (2025, July 18). Exclusive: Defiant Bolsonaro says he is the one to stop Lula, China and Trump tariffs. Reuters.