Ein aktueller Beitrag von Professor Joachim Wernicke befasst sich mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag und seiner Relevanz für das Gebiet der ehemaligen DDR (Ex-DDR). Er untersucht die historischen, politischen und rechtlichen Aspekte des Vertrags und diskutiert dessen Auswirkungen auf die aktuelle geopolitische Situation, insbesondere im Kontext des Ukrainekriegs und der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Wernicke betont die Wichtigkeit der Einhaltung des Vertrags und die möglichen Konsequenzen bei dessen Verletzung.
Historischer Hintergrund und Inhalte des Zwei-plus-Vier-Vertrags
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, offiziell »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland«, wurde am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet. Die Vertragsparteien waren die beiden deutschen Staaten, BRD und DDR, sowie die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs: USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich. Der Vertrag legte die Grundlagen für die Wiedervereinigung Deutschlands und die volle Souveränität des vereinten Deutschlands fest.
Ein zentraler Bestandteil des Vertrags ist das Verbot der Stationierung ausländischer Truppen und Atomwaffen in der Ex-DDR. In Artikel 5 Absatz 3 Satz 3 heißt es: »Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.« Diese Bestimmung soll die militärische Neutralität und Sicherheit in der Region gewährleisten.
Die Protokollnotiz und ihre Bedeutung
Ein umstrittenes Element des Vertrags ist die Protokollnotiz zu Artikel 5 Absatz 3, die kurz vor der Unterzeichnung des Vertrags hinzugefügt wurde. Diese Notiz verpflichtet die deutsche Regierung, die Sicherheitsinteressen aller Vertragsparteien bei militärischen Bewegungen zu berücksichtigen. Der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher beschreibt die Dringlichkeit der Situation: »Am Vorabend des angesetzten Unterzeichnungsdatums 12. September 1990 war bekannt geworden, dass die USA und Großbritannien die DDR sofort für Militärmanöver nutzen wollten.«
Die Protokollnotiz spielt eine entscheidende Rolle, da sie sicherstellt, dass keine militärischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Ex-DDR stattfinden, die die Sicherheitsinteressen der Vertragsparteien, insbesondere der Sowjetunion bzw. Russlands, gefährden könnten.
Aktuelle geopolitische Spannungen
Der Beitrag des Physikers Wernicke widmet sich ausführlich den aktuellen geopolitischen Spannungen und ihrer Verbindung zum Zwei-plus-Vier-Vertrag. Die Note der russischen Staatsduma vom März 2024 an den Deutschen Bundestag kritisiert die deutsche Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Russland und fordert die Einhaltung des Vertrags. In der Note heißt es: »Die Abgeordneten der Staatsduma rufen den Deutschen Bundestag auf, keine Handlungen zuzulassen, die Deutschland in den Militärkonflikt auf der Seite des faschistisch-terroristischen Regimes in der Ukraine hineinziehen könnten.«
Die Duma betont, dass eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen Russland und Deutschland vermieden werden müsse und verweist auf die erfolgreichen sowjetisch-deutschen und russisch-deutschen Regelungen der Vergangenheit.
Sicherheitszonen in der Ex-DDR
Wernicke geht auf die Einrichtung von Rotkreuz-Schutzzonen in der Ex-DDR ein, um die Einhaltung des Zwei-plus-Vier-Vertrags zu stärken und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Diese Zonen könnten als entmilitarisierte Gebiete dienen, die das Risiko militärischer Konflikte reduzieren und die Stabilität in der Region fördern. »Die Schutzzonen können aus alternativer Denkrichtung auch als ein Ausgleich für einen vermeintlichen ‚Sicherheitsverlust‘ des Ex-DDR-Gebiets verstanden werden.«
Vertragsverletzungen und Konsequenzen
Der Beitrag analysiert mögliche Vertragsverletzungen durch die aktuelle deutsche Politik, insbesondere die Teilnahme an NATO-Manövern und die Unterstützung der Ukraine mit militärischer Ausrüstung. Diese Aktivitäten könnten als Verstoß gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag interpretiert werden, was die Sicherheit Russlands gefährden könnte. Der Beitrag diskutiert, welche diplomatischen und rechtlichen Schritte notwendig wären, um den Vertrag wieder vollständig zu respektieren und die geopolitischen Spannungen zu entschärfen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Wernicke betont, dass die Einhaltung und Anpassung des Zwei-plus-Vier-Vertrags entscheidend für die Stabilität und den Frieden in Europa sind. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Beitrags bieten konkrete Maßnahmen, um den Vertrag zu stärken und die gegenwärtigen geopolitischen Spannungen zu entschärfen. Im Folgenden werden die Empfehlungen detaillierter erläutert, wobei ein besonderer Fokus auf die aktive Rolle der Ex-DDR-Landesregierungen gelegt wird.
Einrichtung von Rotkreuz-Schutzzonen
Die Einrichtung von Rotkreuz-Schutzzonen wird als eine zentrale Maßnahme vorgeschlagen, um die Sicherheit der Bevölkerung in der Ex-DDR zu gewährleisten. Diese Schutzzonen sollen als entmilitarisierte Gebiete dienen, die militärische Aktivitäten in der Region einschränken und somit das Risiko eines militärischen Konflikts reduzieren.
Vorteile der Rotkreuz-Schutzzonen:
- Entmilitarisierung: Die Schutzzonen würden sicherstellen, dass keine militärischen Einheiten oder Ausrüstungen in diesen Gebieten stationiert werden, wodurch die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen verringert wird.
- Schutz der Zivilbevölkerung: Durch die Entmilitarisierung würde die Zivilbevölkerung vor den unmittelbaren Auswirkungen militärischer Konflikte geschützt.
- Stabilität und Frieden: Die Schutzzonen könnten zur Stabilität in der Region beitragen und als Modell für ähnliche Maßnahmen in anderen konfliktgefährdeten Gebieten dienen.
Strengere Kontrolle militärischer Bewegungen
Eine weitere Empfehlung im Beitrag von Wernicke ist die strengere Kontrolle militärischer Bewegungen auf dem Gebiet der Ex-DDR. Dies umfasst die Überwachung und Regulierung aller militärischen Aktivitäten, um sicherzustellen, dass sie im Einklang mit den Bestimmungen des Zwei-plus-Vier-Vertrags stehen.
Konkrete Maßnahmen zur Kontrolle:
- Verstärkte Überwachung: Einrichtung von Überwachungsmechanismen, die alle militärischen Bewegungen aufzeichnen und analysieren.
- Transparenz: Erhöhung der Transparenz durch regelmäßige Berichte an die Öffentlichkeit und die Vertragsparteien über militärische Aktivitäten in der Region.
- Internationale Kooperation: Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, um die Einhaltung des Vertrags zu überwachen und zu gewährleisten.
Aktive Rolle der Ex-DDR-Landesregierungen
Eine der wichtigsten Empfehlungen im Beitrag von Wernicke ist die verstärkte Beteiligung der Ex-DDR-Landesregierungen an der Überwachung und Durchsetzung der Bestimmungen des Zwei-plus-Vier-Vertrags. Diese Regierungen sollen eine aktive Rolle spielen, um sicherzustellen, dass der Vertrag respektiert und umgesetzt wird.
Beteiligungsmöglichkeiten der Ex-DDR-Landesregierungen:
- Überwachung und Berichtswesen:
- Regionale Beobachtungsstellen: Einrichtung von regionalen Beobachtungsstellen, die militärische Aktivitäten überwachen und sicherstellen, dass sie den Vertragsbestimmungen entsprechen.
- Regelmäßige Berichte: Erstellung und Veröffentlichung regelmäßiger Berichte über die Sicherheitslage und die Einhaltung des Zwei-plus-Vier-Vertrags in der Region.
- Diplomatische Initiativen:
- Dialog mit der Bundesregierung: Die Ex-DDR-Landesregierungen sollten einen kontinuierlichen Dialog mit der Bundesregierung führen, um sicherzustellen, dass die Sicherheitsinteressen der Region berücksichtigt werden.
- Internationale Kooperation: Teilnahme an internationalen Foren und Kooperation mit anderen Vertragsparteien, um die Einhaltung des Vertrags zu fördern.
- Förderung des öffentlichen Bewusstseins:
- Öffentliche Informationskampagnen: Durchführung von Informationskampagnen, um die Bevölkerung über die Bedeutung des Zwei-plus-Vier-Vertrags und die aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungen zu informieren.
- Bildungsprogramme: Entwicklung von Bildungsprogrammen in Schulen und Universitäten, die die historische und politische Bedeutung des Vertrags vermitteln.
- Sicherheitsmaßnahmen:
- Etablierung von Schutzzonen: Die Landesregierungen könnten in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen die Einrichtung von Rotkreuz-Schutzzonen aktiv vorantreiben.
- Sicherheitsvereinbarungen: Abschluss von Sicherheitsvereinbarungen mit Russland und anderen relevanten Akteuren, um regionale Sicherheitsinteressen zu gewährleisten.
- Rechtliche Schritte:
- Rechtsgutachten: Beauftragung von Rechtsgutachten, um sicherzustellen, dass alle militärischen Aktivitäten im Einklang mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag stehen.
- Klagen vor internationalen Gerichten: Im Falle von Vertragsverletzungen könnten die Landesregierungen Klagen vor internationalen Gerichten einreichen, um die Einhaltung des Vertrags durchzusetzen.
Quellen
- Wernicke, Joachim. »Anmerkungen zum 2+4-Vertrag und dessen Wirkungsgebiet Ex-DDR.« 3. April 2024.
- Bundeszentrale für politische Bildung. »Zwei-plus-Vier-Vertrag.« https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/zwei-plus-vier-vertrag/
- United Nations. »Treaty on the final settlement with respect to Germany.« https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%201696/volume-1696-I-29226-English.pdf
- Zeitzeugenportal. »Hans-Dietrich Genscher: Bademantel-Konferenz 1990 in Moskau.« https://www.zeitzeugen-portal.de/zeitraeume/jahrzehnte/1990/die-deutsche-einheit/F6dndnJqzGA
- Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland. »Aufruf der Staatsduma an den Deutschen Bundestag.« 14. März 2024. https://germany.mid.ru/de/aktuelles/pressemitteilungen/aufruf_der_staatsduma_an_den_deutschen_bundestag_im_zusammenhang_mit_deutscher_beteiligung_an_verbre/
Zum Autor der Originalstudie: Prof. Dr. Ing. Joachim Wernicke lebt in Berlin, ist Physiker und eine geachtete Persönlichkeit innerhalb der deutschen Friedensbewegung.